Was der Mensch auch versucht, das Leben gleicht einem Treiben auf offener See. Wir bauen verschiedene Strukturen – die von Wissenschaft, Beziehungen und Lebensentwürfen bis zur gewöhnlichen Architektur reichen – um darüber hinwegzutäuschen. Denn der Eindruck einer von uns beherrschten Ordnung gibt uns Sicherheit. Aus meiner Sicht geht es nicht um Macht, sondern um Sicherheit – wer Macht will, der sucht tief im Herzen nicht Freiheit, sondern Sicherheit. Der Freie ist schließlich autonom, d.h. unabhängig von der Bewegtheit durch äußere Kräfte. Jedenfalls ist diese Suche nach Sicherheit ein altes Motiv, das in der Moderne mit den technischen Revolutionen an Nachdruck gewonnen hat. Auch in der Technik - ob Unterhaltung oder nicht - suchen wir Sicherheit. Die Serie, deren Ende ich nicht voraussehe bietet eine Sicherheit: es betrifft nicht mich persönlich, nicht ich muss mit den Wendungen des Lebens umgehen sondern jemand anderes. Außerdem sind die Drehbuchautoren Kinder meiner Zeit - sie entwerfen und spiegeln den Zeitgeist (in welcher Spielart auch immer), es entsteht dadurch eine Welt, in der der Zeitgeist - das Bekannte - ununterbrochen herrscht. Bloß ist es eine Illusion, denn die Welt ist nichts das wir kontrollieren können. Auch diese Erkenntnis ist alt, und zwar nicht bloß weil sie von ein paar klugen Leuten regelmäßig festgehalten wird, sondern weil das Leben voller Brucherfahrungen ist: immer wieder brechen unsere Vorstellungen an der Wirklichkeit. Wir nennen derartige Ereignisse „unvorhergesehene Komplikationen“ oder „Schicksalsschläge“, während entsprechende Bewusstseinszustände als „burn out“ oder „Depression“ bezeichnet werden. Doch nicht der Lauf der Dinge macht depressiv, sondern unsere entlarvte Sicht auf sie:
In Wirklichkeit gab es keine unvorhergesehene Komplikation, sondern lediglich einen Menschen, der beim Planen die Wirklichkeit vergessen hat. Die Wirklichkeit selbst ist geordnet, sie hat Gesetzmäßigkeiten und läuft immer prozessual ab – nur ist der Mensch nicht der Urheber, weshalb sie sich zwar nicht seinem Einfluss aber doch seiner Kontrolle entziehen. Daher ist es in Wahrheit eine selbstverschuldet aufgrund von falschen Vorurteilen über sich selbst und die Welt unvorhergesehene natürliche Entwicklung. Sie ist aber nicht als solche traumatisch, sondern erst dann, wenn ihre Folgerichtigkeit übersehen und die damit verbundenen Realitäten über sich selbst und die Welt unakzeptiert bleiben. Wir nennen derartiges traumatisch, weil sie nicht unserem Selbst- und Weltverständnis entsprechen.
Nun hat die Erfindung des Smartphones und die künstliche „Intelligenz“ der Illusion eine neue Qualität verliehen und nicht einfach den Nebel verdichtet. Denn mit der Erfindung einer vollkommen künstlichen Welt und der Möglichkeit, fortwährend in diese zu tauchen, stumpft die Sensibilität für die Brucherfahrungen fortwährend ab. Die Welt als Korrektiv wird immer unzugänglicher, weil wir die Schleier zwischen ihr und uns verdichten: ihre kurskorrigierenden Impulse und Eindrücke werden immer aggressiver durch künstliche kurserhaltende Verstrickungen zu übertönen versucht.
Was wir hieran sehen, ist nicht dass der Mensch machtlos wäre oder dass die Technik - an sich sind auch sie bloß Werkzeuge, nichts weiter – zu verteufeln ist. Sondern einzig und allein, dass sich alles im Bewusstsein entscheidet: Wovon der Mensch bewusst und wovon er bewusst unbewusst sein will.