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Warum Freiheit keinen Zustand sondern Bewegung bezeichnet


Ein Leben in Freiheit, das ist es wirklich wert, gelebt zu werden. Doch was bedeutet Freiheit?
 

Freiheit kann keinen Zustand bezeichnen, weil Zustand Stillstand bezeichnet. Es liegt schon im Wort: Zu-Stand, d.i. Verschlossenheit, und zwar gegenüber Veränderung, das Neue,das Andere. Stillstand im Alten. Im Zu-Stand wird also das erhalten, was derzeit ist. Deshalb werden gestürzte Diktatoren, zerschmetterte Götzen, gesprengte Fesseln meist durch neue ersetzt. Im jungen Alter rebellieren die meisten und befreien sich, im mittleren setzen sie sich neue Fesseln und im höheren Alter werden sie zu den Wachmännern ihrer eigenen Verliese. 

 

Die Befreiung war also eine äußere, keine innere, weshalb man sich mit einer äußeren Veränderung begnügt

 

Dagegen bezeichnet Freiheit ständige Bewegung, d.i. Geöffnetsein und damit Empfänglichkeit der Veränderung, dem Neuen, dem Anderen. Nur ist das immer jenes, was kommt, und nicht das, was da ist.Also richtet sich das Empfänglichsein des Freien dem sich ununterbrochen wandelndem Sein. Es liegt schon in der Natur der Sache, denn die Welt dreht sich unentwegt.  Nur der Mensch ist es, der stehen bleibt. Denn alles, was passiert, hereinbricht oder gewonnen wird, hinterlässt entweder eine Spur oder gräbt sich in ihm ein, wie ein Maulwurf im Garten. Je länger man nicht prüft, umso tiefer. Auch das, was man sich scheinbar selbstständig aufgebaut hat; je länger es steht, desto mehr gerät der darunterliegende Grund in Vergessenheit und stirbt ab. Nicht anders verhält es sich mit geduldig gesäten und gepflegten Charaktereigenschaften, Verhaltensweisen, Selbstbilder, usw. - je länger der Baum steht, desto weitläufiger und fester seine Wurzeln.

Und schon beherrschen Gewohnheiten Denken und Handeln. 

 

Es geht also nicht um äußere Verneinung, sondern innere Loslösung oder Ungebundenheit: es geht um das von sich lassen, denn Quelle aller Fesseln ist das im Ausdruck verborgene Ich. Welche Fessel wir auch akzeptieren, wir tun es, weil es das Ich befriedigt.

 

 

Freiheit erfordert also ständige Befreiung vom Ich, wenn sie lebendig bleiben soll. Und deshalb ist der Philosoph zeit seines Lebens ein Exilant im eigenen Körper, im eigenen Ich, denn es kann keine Befreiung ohne Entfremdung geben: um seine Empfänglichkeit nicht zu verlieren, dürfen die Hände sich niemals um etwas schliessen. Und gerade weil er von sich lassend seine Hände von sich streckt, können andere sich an ihm festhalten. An diesem Punkt machen viele Philosophen den Fehler, dass sie ebenfalls festhalten oder zum Maßstab der Bewegung nehmen, wie reagiert wird, bemühen sich, dass möglichst keiner loslässt. Nicht aus Eitelkeit, sondern schlichter Fürsorge. Denn auch das Festhalten an einem sich stetig Bewegenden erfordert Anstrengung.

 

Wenigen Philosophen gelingt es sich davon zu befreien: denn Freiheit ist Tätigkeit mit Blick auf das wandelnde Sein, nicht auf die stillstehenden Zustände, seien sie gegenwärtig oder zukünftig: nicht am Bestimmten halten, sondern dem Unbestimmten folgen. Und was ist höhere Befreiung als nicht über den Augenblick hinaus zu leben; die Richtungsbestimmung aus der Hand zu geben? Nichts anderes bedeutet dem Unbestimmten folgen. 

 

 

Zusammenfassend: Wirkliches Freisein ist kein Zustand, sondern Bewegung, ständiges Bewegt werden vom Unbestimmten; Freiheit besteht also im Tätigsein, im bewusstseinsmäßigen Befreien vom Bestimmten.

 

 

Kann das sein? Oder bedeutet Befreiung auch das Loslösen vom eben gedachten, bevor es zum Zustand verhärtet?

,,Ich weiss, dass ich nicht weiss“.