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Das schöne Sinnbild sehen, vom Unterschied wissen und die Schönheit begreifen.

Heute habe ich zwei überaus schöne Frauen gesehen.

Glich das Haar der Einen dem goldfarbenen Honig,

harmonierte das der Anderen mit der sich über die Welten legenden Nacht.

 

Drückte der Gang der Einen Adel und Unnahbarkeit aus,

zeugten die Finger der Anderen von wohlformender Präzision. 

Schmiegte sich der Wind an die milchweiße Haut der Einen, 

deren Anblick von den schneeverhangenen Bergen erzählte,

knisterte das Feuer hinter den kastanienbraunen Augen der Anderen. 

 

Mit welch Feinheit und wie vielen Ausdrucksmöglichkeiten die Weiblichkeit entworfen ist. 

Manches Mal genügt das einzelne Detail der Einen,

um die allgemeine Schönheit einer Anderen in den Schatten zu stellen.

Als wäre dieses Detail der Nektar,

das Ganze die abschirmenden Blüten.

 

Bis man einem weiteren Trug zu verfallen droht

meint man nämlich sie zu erblicken:

Die Einheit aller Einzelheiten, 

die Harmonie aus Detail und Ganzem 

bevor ein genauerer Blick die Makel zeigt

gefolgt von Ermahnungen:

Wisse,

die Gegenwart jeden einzelnen Ausdruckes der Schönheit zu schätzen. 

 

Begreife,

sie sind bloß Formen. 

Der Gehalt,

die eigentliche Quelle der Schönheit,

nähert sich von

Seiner Wirklichkeit

wie auch einzelne Flüsse Abzweigungen eines großen Ozeans sind.

 

Als junger Mann ist man anfälliger

bei den Formen zu verweilen

statt sich um den Gehalt zu bemühen - 

bei den überschaubaren Flüssen bleiben,

als sich vor den unendlichen Ozean zu wagen. 

 

Die Kunst liegt im Begreifen.

 

 ,,Jedem das Seine“:

Die Form ist als Form schön. 

Sie zu einem Gehalt machen zu wollen,

würde sie zerstören. 

Der Gehalt ist als Gehalt zu würdigen. 

Wollte man ihn verformen,

wäre er schon längst verpflüchtigt. 

 

Die Form bedarf des Gehaltes. 

Die Form ohne Gehalt gleicht 

einem Körper ohne Leben, d.i. ein lebloser, roher Körper. 

Die Form ohne Gehalt gleicht 

einem Herz ohne Liebe, d.i. ein liebloses, kaltes Herz. 

Ein Mensch ohne Menschlichkeit, eine leere Hülle. 

 

Mag er sich noch so sehr sich ins Sonnenlicht drängen, 

Ausgehöhlt, bleibt es ewig dunkel. 

 

Der Gehalt bedarf der Form. 

Der Gehalt ohne Form gleicht 

einer abstrakten Größe, d.i. eine bodenlose, ausdruckslose Größe. 

Der Gehalt ohne Form gleicht einer Liebe ohne Herz, d.i. eine heimatlose, ungeliebte Liebe. 

Eine Menschlichkeit ohne Mensch, ein unsichtbares Juwel.

 

Mag sie noch so sehr sich vom Licht des Erhabenen näheren: 

Unverkörpert, bleibt sie verborgen. 

Verkörpert, wird sie geborgen. 

 

Gewiss, 

in des Menschen' Herz ist das Seelenfünklein geborgen.

Doch erst gänzlich unvollkommen

kann es die Vollkommenheit lieben lernen. 

 

Wahre Schönheit ist die Einheit aus 

Prinzip und Form, 

Gehalt und Behälter, 

Sinn und Ausdruck, 

Bedeutung und Buchstabe.